Durchs Äthiopische Hochland in die Hauptstadt

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Reisetag 28
Kilometer 6284

Früh brechen wir in Bahir Dar auf. Ursprünglich hatten wir vor gehabt die Strecke nach Addis Ababa in zwei Tagen zurück zu legen, aber Wissam hatte uns überzeugt, dass die Straße gut sei, wir es an einem Tag schaffen können und dazwischen nicht viel kommt.
Wir treffen uns an der nahen Tankstelle. Gestern ist hier noch Benzin in waschzubergroßen Wannen abgefüllt worden, heute gibt's nichts mehr...welch böses Omen.
Wir finden eine Tankstelle aber immer noch im Glauben den Treibstoffmangel hinter uns gelassen zu haben nehmen wir nur etwa 15 Liter extra mit.
Es geht über das Hochland zuerst nach Südenwesten, dann nach Südosten. Die Straße ist perfekt und an manchen Stellen steht sie einer Österreichischen Bundesstraße in nichts nach. 
An Anfang geht es durch Wald. Überall im Wald sind Köhler und beginnen mit ihrer Arbeit. Der würzige Geruch von verglimmendem Eukalyptus Holz liegt in der kühlen Luft.

Die Landschaft wird noch fruchtbarer. Die Kühe schauen nun richtig fett und gesund aus. Es wird weiter gepflügt... nirgends sehen wir etwas anderes als den Ochsenpflug. In dem größeren Ort Debre Markos halten wir an und es gibt Brunch mit Buna und Rührei.

Glücklich geht es weiter.
Auch die Menschen ändern sich, wir verlassen das Land der Amharen und kommen zu den Oromo, der lange diskriminierten Mehrheit des Landes. In Äthiopien leben über 120 Bevölkerungsgruppen mit über 80 Sprachen. Erst seit es eine streng nach Proporz aufgeteilte Regierung gibt scheint auch der soziale Frieden zu halten.
Wir kommen von Dorf zu Dorf. Wir versuchen es weiterhin mit "Wave and Smile", also winken und lächeln. Aber wir werden gerade aus den jungen Burschen nicht ganz schlau.
Die kleinen Kinder lachen und laufen lachend und winkend neben uns her. Die älteren schreien immer wieder ihr
unausweichliches "You, you, Money!". Und sie winken. Wir verstehen Ihr Deuten nicht. Winken sie zurück? Manche sicher. Deuten sie man solle stehen bleiben? Vielleicht. Wenn man stehen bleibt wird umgehend das Verteilen von Gaben und Geld erwartet. Der weiße Mann als zufällig vorbei kommende attraktive Zusatzeinkunft.
Einige machen auch die Geste des nach einem etwas Werfens. Es gibt viele Berichte über Steineschmeißer entlang Äthiopischer Straßen. Zenaw meinte dies komme durch den Hass der Familien auf die Autos die regelmäßig Familienmitglieder und Tiere aus dem Leben reißen. Das wäre ja noch irgendwie nachvollziehbar. Das Leben findet direkt an und auf der Straße statt. Offiziell ist in den Dörfern 30 km/h. Die Angabe ist das Schild nicht wert. Die Fahrer sind hier nicht besonders gut. Gefahren wird was das Auto her gibt. Bei LKWs meist selbst limitiert bei etwa 60, weil völlig überladen. Am schlimmsten fahren aber die großen, chinesischen Überlandbusse. Sie schaffen 100 km/h und Ziel ist es diese so viel wie möglich zu halten.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Kinder die Straßen hier wie Katzen überqueren. Um das Risiko überfahren zu werden zu minimieren laufen sie so schnell sie können...aber ohne zu Schauen. Permanent muss man damit rechnen von einem kleinen Sprinter von der Seite bedrängt zu werden. Kein Wunder, dass es hier viele Verkehrstote gibt.
In einer brenzligen Situation bei der in einer engen Kurven zwei Lastzüge auf Kollisionskurs sind werden wir langsamer, plötzlich tut es einen Rumms, der Landcruiser hinter mir fährt gegen meine Gepäckrolle. Nur langsam und mich schiebts halt ein Stück vor...nicht passiert.
Ob er geschlafen hat oder keine Bremsen? Wer weiß das schon.
An einer Schule geschieht es mir das erste Mal, als letzter der Vierergruppe prasselt eine Ladung Dreck über mich...besser als Steine...
An einer Baustelle dann das erste Mal wirklich. Eine Gruppe junger Burschen scheint nicht ganz freiwillig ein großes Schlagloch mit Schotter zu füllen. Wenn ich die Situation in der Geschwindigkeit richtig erfasse wollen sie für ihre Arbeit zumindest einen Obolus von den Ausländern bevor sie wen durchfahren lassen.
Ein LKW kommt entgegen, er würde nie stehen bleiben, nichtmal bremsen, also bietet sich eine Lücke. Schnell bin ich mit dem Motorrad durch.
Hinter mir schlagen die Steine auf Motorrad und Koffer ein...ich war schnell genug.
Wie angenehm und sicher war es im Sudan zu reisen wo man sich über jedes Dorf gefreut hat.

Hier gibt es nun auch wieder kein Benzin. Die Tankstellen sind alle leer. Nach und nach verteilen wir unseren Zusatzsprit aber er wird nicht bis Addis reichen. Schon wieder.
Unterbrochen wird die Fahrt von der eindrucksvollen Querung des Blauen Nils. Der Fluß hat sich ein sehr tiefes und ganz steiles Bett in das Hochland gegraben und ein nahezu unüberwindliches Hindernis hinterlassen. Plötzlich senkt sich die Straße. In Serpentinen geht es fast senkrecht von etwa 2000 Höhenmetern hinab auf 1200 zum Fluß. Die Straße ist erbarmunswürdig. Langsam rollen wir von Welle zu Welle und umfahren Schlagloch um Schlagloch bis wir über die Brücke am Südufer ankommen. Wir sehen das erste Mal Baboons, eine Pavianart die hier an  der Straße lebt und Essen sucht.
Auf der anderen Seite geht es genauso steil bergauf aber die Straße ist in einem etwas besseren Zustand.
Zwischendurch füllen wir die letzten Tropfen Sprit ein. An der Stelle komme ich mit den dort wartenden Köhlern ins Gespräch.
Die Kohle wird in 30 kg Säcke gefüllt und kilometerlang zu den nächsten großen Straßen getragen. Dort wartet der Händler. Die haben einen kleinen Unterstand und reihen die Kohle am Straßenrand auf. Der Köhler bekommt 118 Bir, etwa 3,50 €, für den Sack, der Händler verkauft ihn für 135 Bir weiter. Der Gewinn ist fürs am Straßenrand sitzen. 
Ich frage den Köhler warum er so gutes Englisch spricht? Er hat Englisch studiert, aber dafür gibt es hier keinen Job. Also zurück zur Arbeit der Eltern. Die Geschichte kommt so bekannt vor.
Zum Abschied möchte er Geld für unser Gespräch. Zurecht sagt er, wenn ich jetzt sage ich hätte kein Geld würde er mir nicht glauben, ich sei ja den ganzen Weg von Europa hierher gekommen. Recht hat er. In dem Motorrad ist sicher mehr Geld versteckt als er im Leben verdienen wird.
Ich sage ihm, dass es mir einfach widerstrebt für Gespräche zu zahlen und biete eine frische Flasche Wasser an. Die Freude mit der er diese annimmt beschämt mich fast. Über das frische Wasser und das gewonnene Gefäß.
Nach einer weiteren Fahrt über das schöne Hochland erreichen wir durch einen Stau einen Steilhang hinab die Hauptstadt.
Nach einem kurzen falsch abbiegen und einem unfreiwilligen Besuch einer Marktstraße mit unglaublich großen Pflastersteinen kommen wir im Konjo Guest House an und werden herzlich empfangen.

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