120 Km/h auf 120 km = halbe Stunde bzw andere Lehren aus dem Sudan

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Früh stehen wir auf und fahren im Morgengrauen zur Tankstelle von Gestern, die Schlange ist unverändert. Ein Paar haben in ihrem Auto geschlafen, ein paar sind heim gegangen.
Direkt vor der Tankstelle ist etwas Platz, wir stellen da unsere Maschinen ab und hoffen auf Verständnis. Man begegnet uns mit freundlicher Ignoranz. Die "How are you" und "Welcome to Sudan" werden aber deutlich weniger. Bis 7 passiert nichts, dann kommen die ersten Soldaten. In der Nacht hatten sich einige Autos rückwärts direkt vor die Zapfsäulen geparkt. Es entstand ein großer, fast handgreiflicher Streit. Für uns machte es auch den Eindruck, dass die Streitparteien nach Volksgruppen, den Nubiern und den Arabern aufgeteilt wären. Erst als mehr Militär ankommt und die Menge zerstreut wird es etwas ruhiger. Wir standen zum Glück gerade soweit weg, dass wir nicht im Fokus waren.

Ein alter Mann kommt zu uns und sagt wir sollen mit zum Offizier kommen. Die ganze Schlange weiß, dass  wir aus Deutschland kommen (....das mit Österreich ist so eine Sache...) und weiter nach Karthoum und bis nach Südafrika wollen.

Der Leutnant spricht zum Glück sehr gut Englisch und Alex erklärt ihm unsere Situation, dass wir quasi in Dongola gefangen sind. Er versteht und sagt nur "Bring the motobikes".
Schnell fahren wir vor und bekommen noch vor allen anderen 14 Liter pro Kopf, also zwei Rationen. Noch schneller schauen wir, dass wir mit unserer Beute weg kommen. Zahlen tun wir für 42 Liter umgerechnet etwa 7,50 €. Daran liegts nicht.
Im Hotel packen wir zusammen und obwohl wir mitten in die Hitze kommen starten wir weg von dieser Stadt.
Mit 14 Litern kommen wir gute 200 km. Keine Chance die 530 km durch die Wüste bis Karthoum zu schaffen. Aber angeblich wird die Lage um so näher wir an die Hauptstadt kommen um so besser.
Was bleibt uns auch?
An jeder Tankstelle auf der Strecke halten wir an, überall das selbe "No bensin in Sudan".

Die Tankstellen haben eine andere Verwendung gefunden: als Schattenspender. Wir treffen ein paar Jungs, einer bietet uns 4 Liter für 500 Pfund, also 12,50 €, eine unglaubliche Summe. Zwangsläufig gehen wir drauf ein. Die Summe ist so hoch, dass nach und nach jeder seine letzten Reserven zusammen kratzt. Wir können 24 Liter erwerben und die Sudanesischen Pfund gehen uns bündelweise aus der Hand.
Wir sehen was das Geld anrichtet. Bis wir kamen lagen die Jungs friedlich im Schatten. Als wir fuhren waren sie in einem handfesten Streit wem wieviel von der Beute zusteht. 
Ein Stück sind wir weiter aber immernoch nicht genug.

Solange die Straße dem Nil folgt kommt Ort nach Ort aber in Debba biegt sie nach Süden in die Wüste ab um die große Nilschleife nördlich von Karthoum abzukürzen. 300 km durchs Nichts. Dafür haben wir nicht genug Benzin und wir trauen uns nicht weiter.

Hier macht das Fragen nah Benzin nahezu keinen Sinn. Niemand hat auch nur einen Tropfen mehr. Wir fühlen uns wie bei Mad Max.

Diesel geht etwas leichter. Die großen LKW kommen aus Ägypten, übervoll mit Diesel um hin und zurück zu kommen und pumpen dann im Rahmen eines kleinen Nebengeschaftes noch etwas ab. An den Raststätten stehen überall unauffällige Tonnen mit Gartenschläuchen, hier kann man abgeben und kaufen. Aber eben nur Diesel.
Eine Option wäre die Maschinen auf einen LKW zu stellen. Alex findet einen Militärlaster mit einem Soldaten und zwei Zivilisten. Für 3000,- Pfund (unglaubliche Summe, Doppelzimmer in Dongola 200 Pfund pro Nacht).
Überall wo es Krisen gibt gibt es Gewinner...

Der MAN LKW hat eine Ladehöhe von etwa 1,40 m. Wir fragen wie wir die Motorräder da rauf bekommen. Hoch heben meinen sie. Sie fassen unsere Maschinen kurz an, dann springen sie in den LKW und sind über alle Berge. Zum Glück ohne unser Geld :-)
Wir liegen im Schatten und harren der Dinge. 

Wer kommt da an? Wissam!! Er hatte vom Treibstoffproblem in Dongola gehört und das Problem schon vorher lösen wollen. Er fragte sich durch Militär und Polizei, keiner konnte ihm weiter helfen. Aber er bekam einen Tipp: südlich von Wadi Halfa gibt es halb legale Goldminen. Die Jungs dort brauchen große Mengen an Benzin weil ihre Generatoren und Wasserpumpen damit laufen. Und haben dementsprechende Lager.
Wissam fuhr mit den letzten Litern in einen dieser Goldgräberorte. Zuerst wurde ihm gesagt es gebe keinen Sprit, dann zog er den 100 Dollar Schein raus. Das wirkte. Für 112,- Dollar bekam er 80 Liter Benzin. Genug für ihn bis an die äthiopische Grenze.

So, mit zwei 40 Liter Kanistern auf den Seitentaschen kam er bei uns an.
Was tat er? Er gab uns tatsächlich die Hälfte seines Treibstoffs ab! Damit kommen wir gemeinsam bis nach Karthoum. Welch eine Geste!

Wir fahren zu Viert durch die Wüste.

Nach einigen Kilometern müssen wir anhalten. Der Benzinfilter von Wissams KTM ist zu. Er muss dafür die Benzinpumpe (!) ausbauen und dafür den den ganzen Sprit ablassen, sie ist von unten in den Tank eingebaut. Peinlich genau achten wir darauf möglichst wenig von dem wertvollen Benzin zu verlieren. 
Wissam hat eine Ersatzpumpe mit frischem Filter dabei und braucht für die ganze Aktion grad einmal eine halbe Stunde. Insgeheim bin ich froh, dass ich so einen Oldtimer fahre.

Abends essen wir traditionelles Ful, vergohrene Saubohnen, mit Brot.
Der Wirt ist überzeugt, wenn Wissams Motorrad 120 km/h fährt und es 120 km bis Karthoum sind, wären wir in einer halben Stunde da. Wir wiedersprechen dieser Logik nicht.
In der Dunkelheit schluckt uns der Molloch Karthoum und irgendwie navigieren wir uns mit unseren letzten Tropfen zum Acropole Hotel im Regierungsviertel. Wir sind zwei Tage zu spät und werden wir herzlich von George empfangen. Er ist auch der Honorarkonsul von Griechenland. 
Schnell haben wir kalte Getränke und ein paar Sandwiches.
Das ganze Hotel riecht noch etwas nach Kolonialismus und mit all seinem Luxus ist es einfach nur herrlich hier diesen sehr anstrengenden Tag ausklingen zu lassen.

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