Erfahrungen mit der BMW R 100 GS PD nach 7000km

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Kurze Übersicht zur Halbzeit über Matthias' Motorrad und die verwendete Ausrüstung

Meine GS wurde 1990 in Berlin gebaut und sie ist 100 % für Fernreisen konzipiert worden. Das merke ich jeden Tag und bin sehr dankbar für die unglaubliche Liebe zum Detail die die Ingenieure von BMW bei dieser Maschine gezeigt haben.
Am meisten ist mir aufgefallen:

- So wartungsfreundlich wie nur möglich. Jede Tätigkeit braucht nur ein Minimum an Handgriffen. Das begeistert mich wirklich bei allem was ich bisher machen musste und durfte.

- Unglaublich hohe Zuladung bei weiterhin niedrigem Schwerpunkt. Da spielt auch die lange Gepäckbrücke beim Einzelsitz eine Rolle. War beim Sprittransport sehr wertvoll.

- Der riesige Tank. 36 Liter Inhalt. In Ländern mit Treibstoffmangel unbezahlbar!

- Haupt- und Seitenständer. Der Seitenständer bringt die Maschine in eine beunruhigende Schräglage aber bis jetzt ist sie nie gefallen :-)

- Der Hauptständer zusätzlich ist Gold wert. Er ist so konzipiert, dass bei unbeladener Maschine beide Räder abwechselnd in der Luft stehen können, sie steht quasi in der Waage. So kann an jedem Rad einfach gearbeitet werden.

- Das Zubehör ist genau richtig und gut verstaut (Werkzeug, Schloß, Staufach)

- So geringe und "dumme" Technik wie möglich. Ein luftgekühlter Boxer, kein Kühlwasser, keine Lüfter,  zwei simple  Bing Vergaser, keine Benzinpumpe usw. weniger  ist manchmal mehr. Der Antrieb über den Kardan, alles möglichst einfach und langlebig. Selbst bei den Fahrten bei 60 Grad durch die Sudanesische Wüste lief der Motor völlig problemlos.
Trotz des dummen, uralten Motors der einfach jeden Sprit bis jetzt brav verbrannt hat braucht sie genauso viel Benzin wie die anderen, moderneren Motorräder.

Zwei Nachteile sind mir aufgefallen:

- Nach heutigem Maßstab ist die R 100 GS PD eher niedrig. Neben der KTM Adventure von Wissam sieht sie richtig klein aus. Zusätzlich ist die Luftansaugung für den Motor eher vorne unter dem Tank. Dadurch leidet die Wattiefe sehr. Beim Hochwasser in Ägypten war für die BMW die Grenze überschritten, die Hondas kamen problemlos durch.

- Das Armaturenbrett ist ordentlich, übersichtlich und plan. Das bedeutet leider, immer wenn die Sonne in einem bestimmten Winkel hinter einem steht wird man als Fahrer massiv geblendet.

Richtige Vorbereitung

Die BMW hat 28 Jahre warten müssen bis sie in ihrer echten Bestimmung verwendet werden durfte. Diese Zeit nagt natürlich an einem Motorrad. Vor der Reise hatte ich sie bei Anton Ücker in Bad Hindelang im Allgäu. Welch ein Glück diese Werkstatt gefunden zu haben! Jeder Kilometer von Innsbruck dorthin hat sich gelohnt. Ich kann nur jedem der mit seiner älteren BMW mehr vor hat als Sonntagsfahrten empfehlen vorher bei Toni vorbei zu schauen.

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Dinge die in den ersten 7000 km passiert sind oder die zu tun waren:

- Hochwasser in Ägypten, Wattiefe überschritten, Maschine ist zweimal abgestorben, ließ sich aber nach etwas Warten in flacherem Wasser auch wieder starten.
Am nächsten Tag war der Luftfilter dank der heißen Wüstenluft auch gleich wieder trocken.

- Bei den ganz heißen und schnellen Fahrten im Sudan (50 Grad im Schatten, über Stunden 110 km/h) trat plötzlich Öl aus dem Kardan aus. Nach genauerem schauen aus dem Nippel mit der Plastikhaube im oberen Bereich (eine korrekte Bezeichnung habe ich nirgends gefunden). Ich hatte Sorge es sei ein Simmering defekt aber es hat sich wohl nur um zuviel Öl gehandelt. Die Stände passten und die Maschine fuhr die kommenden 3000 km ohne Probleme.

- Alle 1000 km musste ich etwas Öl nachfüllen. Auf den 7000 km habe ich bis jetzt 3,5 Liter gebraucht. Das entspricht 50 ml auf 100 km und ist absolut im Rahmen von den von BMW angegebenen Werten, ein Boxer braucht eben mehr.
Da ich ja evtl. Wasser in den Motor bekommen habe und zwischendurch Öl unbekannter Güte ("Yes, yes oil, thats for all, Diesel, Petrol, Gear Boxes...best oil!") habe ich mich in Nairobi für einem Ölwechsel entschieden.

- Bei ca. 3000 km und 7000 km habe ich etwas Getriebeöl nachgefüllt.

- Das Schloß der Sitzbank ist ganz am Anfang raus gebrochen, hier hat einfach die 28 Jahre alte Kunststoffbefestigung aufgegeben.

- Eine der unteren M 10 Befestigungsmuttern des Seitenbügels hat sich irgendwann bei ca. 2000 km gelöst und ist abgefallen. Als mir in Addis ein Hotel-Mitbewohner versprach so eine Mutter zu besorgen gab ich ihm die von der anderen Seite mit. Er schaffte es nicht mehr zurück zu kommen bis wir aufgebrochen sind, bis Nairobi bin ich ohne die beiden Muttern gefahren und der Bügel hatte kein bisschen Spiel.

- Nach der Fahrt in den Standstürmen in Ägypten war der Gaszug schwergängig, kaum waren sie Seilzüge direkt am Vergaser entsandet und neu mit WD40 eingesprüht ging er wieder leicht.

Motorrad Zubehör:

- Reifen:
Heidenau K 60 Scout (130 / 80 - 17) hinten und Heidenau K 60 Enduro (90 / 90 - 21) vorne.
Zu denen hat mir Anton geraten weil sie angeblich 15.000 km halten. Ich bin sehr begeistert von den Reifen. Jetzt zur Halbzeit sind sie noch nicht über die Hälfte runter und die Fahreigenschaften auch bei den schwierigen Passagen sind sehr gut. Beim Wechsel nach der Rückkehr werde ich mich wieder für diese Reifen entscheiden.

- Zusatztank
Das zusätzliche Benzin habe ich in einem russischen 12 Liter Falttank auf der langen Gepäckbrücke. Der Tank hat zwar keine Zulassung in der EU hat sich aber sehr bewährt. Bei den Treibstoffproblemen im Sudan habe ich mich nachträglich geärgert nicht zwei 12 l Tanks mitgenommen zu haben.

 - Navigation
Garmin Zumo 365 mit Touratech Halterung
Die Halterung ist so unglaublich deutsch gefinkelt und komplex und hält trotzdem perfekt.
Vom Navi selbst bin ich gelinde gesagt enttäuscht. Ich habe auch einen Fehler begangen: ich habe die Original Kartensoftware von Garmin gekauft. Wahrscheinlich wäre eine Open Source Lösung die Bessere gewesen.
Für den Trans East Afrika Highway braucht man kein Navi, da wäre es aber gegangen.
Nur zwei Beispiel-Bugs: in Äthiopien war die Hauptstadt Addis Abeba, egal in welcher schreibweise, im Datensatz nicht hinterlegt, geschweige denn die Straßen des Mollochs.
Bei der Fahrt nach Moyale (die Stadt ist in der Mitte durch die Äthiopisch-Kenyanische Grenze geteilt und heißt auf beiden Seiten gleich) führte das Navi wenn man Moyale / Kenia eingab auf direktem Weg (Trans East Africa Highway) hin. Wenn man Moyale / Äthiopien eingab führte es in den gleichen Ort über einen zweistündigen Umweg.
Am Ende haben wir in den Städten immer mit Handy und Open Streetmap bzw Google Maps navigiert. Eigentlich eine Schande für den Marktführer bei Motorradnavigationsgeräten.
Als Ausfallebene habe ich für jedes Land die World-Mapping-Project Karte vom Reise Know How Verlag mit. Habe definitiv mit diesen Karten mehr anfangen können als mit dem Garmin.

Die Ausrüstung:

Für mein Gepäck verwende ich zwei Därr Boxen aus München mit den Haltern für Hepco und Becker. An den Koffern sind Halter für 2 Liter Öl und 3 Liter Benzin.
Zusätzlich auf der Brücke eine Gepäckrolle von Ortlieb.
Der Tankrucksack ist eine maßgeschneiderte Lösung von Touratech für die 100 GS PD.
Fixiert habe ich alles mit den Bison Spanngurten von Lauche und Maas. Auch diese haben sich sehr bewährt.

- Die Därr Boxen:
Wie gewohnt stabil. Gut zum Verstauen und wenn man auf den korrekten Sitz der Gummidichtungen achtet auch spritzwasser- und staubdicht.
Probleme hatte ich mit den Haltern. Sie sind nicht so stabil wie sie wirken. Schwachpunkt sind die Kistenverschlüsse die den Rahmen am Motorrad fixieren. Schläge von unten gegen die Kisten und schwere Schlaglöcher halten sie nicht aus. Auf beiden Seiten sind die Verschlüsse gebrochen, samt den Schlössern.
Die Stahlwinkel die eigentlich formschlüssig für  Stabilität sorgen sollten verbiegen sich auch leichter als man glaubt.
Einen Gurt pro Kiste hatte ich von Anfang an aber seit 3000 km halten beide Kisten nur mit je zwei Bison Gurten.
Da die Box so etwas tiefer hängt hat die Hinterradschwinge bei der Geländestrecke am Mt. Kenya stark gegen den Boden der Box geschlagen. Es gibt einen äusserlichen Schaden des Dichtungsringes des Kardanantrieb der hoffentlich nicht tiefer geht.
Die Halter für Öl und Benzin von Touratech sind praktisch. Drei Liter zusätzlich Benzin sind in diesen Ländern nur so lächerlich, dass ich beim nächsten Mal lieber drei Liter Öl zusätzlich mitnehmen würde.
Im Nachhinein denke ich es ist bei diesen Belastungen immer schwierig zwei starre Systeme fest aber schnell lösbar miteinander zu verbinden. Wenn ich mir anschaue wie unbeeindruckt der Ortlieb Sack von der Reise ist und wie mitgenommen die Alukoffer würde ich für die nächste Reise auch seitlich die von Ortlieb produzierten und von Touratech vertriebenen Motorradpacktaschen Endurance entscheiden. Flexibel an starr hält offensichtlich besser.

- Der Ortlieb X-Plorer L
Ich war schon immer ein Fan von Ortlieb Produkten und jetzt noch mehr. Der Gepäckrolle scheint die Reise und die mechanische Belastung garnichts auszumachen. Und sie ist wie gewohnt wirklich dicht. Ich habe mich für das Modell X-Plorer mit Rucksackgurten entschieden, ein riesiger Vorteil wenn man ein Stück weg vom Motorrad muss und eh die sperrigen Därr Boxen tragen muss.

- Der Touratech Tankrucksack:
Perfekt sind die beiden Seitentaschen! Rechts und links gehen genau zwei 1,5 l PET Wasserflaschen rein. Ideal!
Der Tankrucksack mit Kartentasche ist gut, ich hatte nur ein Problem: er kommt mit der Garmin Halterung am Lenker ins Gehege. Daher muss ich ihn mit einem Gurt nach hinten unten runter spannen. Dies behindert das Öffnen und bei jedem Tanken ist das Abnehmen des etwas fummelig. Der Tankrucksack ist nicht regendicht, aber welcher ist das schon.

- Helm Touratech Aventuro
Sehr guter, leichter Helm. Einziger Nachteil ist der Kinnriemen zum zurück Schlaufen. Das ist mitunter etwas fummelig und geht mit Handschuhen praktisch garnicht. Ich hatte den Aventuro absichtlich gekauft weil er mit Schild und Visirentfernung vollständig auf Enduro Helm umrüstbar ist. Das habe ich am Anfang gemacht aber dann aufgegeben. Fast jeden Tag haben wir auch schnelle Passagen und oft hatten wir starken Seitenwind. So fein der Dreck- und Sonnenschutz durch das Schild ist, die Nachteile beim Fahren haben überwogen und ich hätte diese Option nicht gebraucht.

- Jacke Vanucci Tanami mit Ellbogen- und Schulterprotektoren
Bei der Bekleidung haben wir bewusst Mittelklasse Kettenprodukte genommen da wir alle davon ausgehen, dass, egal welche Kleidung, sie nach drei Monaten permanent Tragen und Fahren eher zu entsorgen sind.
Wenn man in der Wüste bei über 50 Grad beginnt, noch in die subtropische Regenzeit kommt und im südafrikanischen Winter mit unter 10 Grad ankommt braucht man als Jacke eine eierlegende Wollmilchsau und die gibt es nicht. Die Jacke von Louis für die ich mich entschieden habe kommt dem aber recht nahe.
Sie ist noch halbwegs warm und ein bisserl regendicht aber mit großen, abdeckbaren Netzfeldern vorne und am Rücken war sie auch in der Wüste tragbar.

- Hose Vanucci Kevlar Jeans mit Knieprotektoren
Ursprünglich hatte ich die zur Vanucci Jacke passende Hose. Ich bin knapp 1,90 m groß und bei egal welcher Hose habe ich das Problem, dass sie beim Fahren an den Knöcheln zu kurz ist. Alex brachte mich dann auf die Idee mit der Kevlar Jeans. Das war eine sehr gute Entscheidung. Auf alle Fälle vom Tragekomfort aber auch weil es die Hosen in Jeansgrößen auch für ausgewachsene Menschen gibt.
Einziger Nachteil: wie bei jeder Jeans natürlich nicht regendicht.

- Regenkombi Ultraleicht von Proof/Louis
Auch nicht ganz ideal. Ich hätte beim Einkauf etwas weniger auf Packmaß und Gewicht schauen sollen und dafür einen richtig dichten Kombi nehmen sollen.
Mit der Regenzeit war er überfordert. Wobei wir eigentlich nicht vor hatten in diese zu kommen, sie dauert heuer nur unüblich lange.

- Handschuhe Schöller Cafe-Racer
Das einzige Bekleidungsteil, dass ich vorher schon hatte. Leichte Handschuhe mit denen ich sehr zufrieden bin.

Lieblingskleinartikel:

- S-Kross Worldwide USB Adapter, vertrieben über Hama
Eine wirklich geniale Erfindung. Keine Steckdose ein Problem und was müssen wir denn anderes als USB Geräte laden?

- Ajona Stomatikum Zahnpasta von Dr. Liebe
Schon seit frühesten Pfadfindertagen nehme ich auf jeder Reise diese ausserordentliche Zahnpasta mit. Nach der Reise von Innsbruck nach Nairobi ist noch nicht mal die halbe 25 ml Tube verbraucht. Bei zweimal am Tag Zähneputzen und manchmal eher erbsen- statt der empfohlenen linsengroßen Menge.
In diesem Drogerie / Kosmetik Umfeld in dem Mogelpackungen an der Tagesordnung sind und der faire Umgang mit dem Verbraucher eher ausgestorben ist, ist dieses Zahnpastakonzentrat eine fast anachronistische Ausnahme. Es mutet nahezu geschäftsschädigend an dem Kunden zu empfehlen möglichst wenig des eigenen Produktes zu nehmen da dies ausreiche.
Ich hoffe, so lange ich reise gibt es auch Ajona Zahnpasta! :-)

2 comments:

  1. Super. Wie kam dann euer Kollege mit der KTM zurecht. Hab die gleiche. Gruss aus Basel

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  2. Der Wissam fährt die KTM seit 4 Jahren und über 200.000 km um die Welt (laut KTM derzeit diese Maschine mit der meisten Laufleistung, hat aber auch schon einen Ersatzmotor drin).
    Er ist mit ihr mehr zufrieden als mit der neuen 1200 GS die er vorher hatte.
    Er hat einen Motorradzubehör Handel in Dubai, wenn Du was bestimmtes wissen willst kannst ihn sicher direkt anschreiben:
    http://goodwilljourney.org
    LG Matthias

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