Zu Besuch im SOS Kinderdorf Khartoum

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Reisetag 23
Kilometer 4764

Heute war es soweit. Wir hatten um 12 Uhr ein Treffen mit Moawia Abdelkareem, dem Leiter des hiesigen Kinderdorfes ausgemacht.
Am Vormittag nochmal eine Tankstellenrunde...uns kommt vor die Situation zumindest in Khartoum entspannt sich etwas...
Marcs Maschine hat plötzlich einen starken Leistungsverlust, wir lassen sie am Hotel, dass werden wir am Abend reparieren müssen.
Mit zwei Motorrädern versuchen wir das Kinderdorf zu finden. Wir scheitern auch nach mehreren Telefonaten mit Moawia. Irgendwann bitte ich einen Passanten Moawia zu erklären wie wir sind und er kommt uns abholen. Drei Querstraßen weiter sind wir da.

Eine Oase in Khartoum. Ein weitläufiges, umfriedetes Gelände, ein Sportplatz mit grünem Rasen, Beete und Bäume. Moawia empfängt uns herzlichst.
Für uns alle ist die Situation etwas speziell. Da kommen drei Typen aus Innsbruck, wollen das Dorf sehen, aber nicht offiziell von SOS aus sondern weil es sie interessiert und sie Spenden sammeln...die Unsicherheiten sind schnell abgebaut und wir haben ganz freundschaftliche und persönliche Gespräche.

Im SOS Children's Village Sudan leben derzeit 101 Kinder. Etwa 7:3 Buben zu Mädchen. Die Mütter haben etwa 6 Kinder in den Familien und leben in schönen Häusern auf dem Gelände...eben in einem Dorf.

Derzeit sind nicht alle Familien da, es ist Ferienzeit und einige der Familien sind auf Urlaub. Auf Urlaub. Welch ein Luxus in diesem Land. 

Wie kommen die Kinder ins SOS Kinderdorf? Moawia erklärt uns geduldig das Procedere. Die Kinder hier sind alle Vollwaisen. Sie sind fast alle ausgesetzt worden und Unbekannte. Das heißt, die Mutter ist so verzweifelt, dass sie das Kind auf die Welt bringt aber irgendwo auf der Straße ablegt. Wenn die Polizei rechtzeitig gerufen wird bringt diese das Neugeborene in die Klinik und später in ein staatliches Waisenhaus. Die Polizei sorgt auch dafür, dass ein Name gefunden wird und das Kind Papiere erhält. 
Der Sudan hat eine muslimische, relativ konservative Gesellschaft. Das höchste Gut ist die Familie ubd das Schlimmste und Beschämendste ist es keine Familie zu haben und keiner Familie anzugehören.
Genau dies trifft ursprünglich auf alle Kinder hier zu. Moawia meint die Kinder aus dem Dorf seien daher hier im Umfeld auch stigmatisiert.

Aus den etwa 700 Kindern in den staatlichen Waisenhäusern werden wenn Kapazitäten da sind mit einer Kommission aus der Dorfleitung, den Müttern und Psychologen Kinder für das SOS Kinderdorf ausgesucht. Welch eine Aufgabe!
Stigmatisierung hin oder her, die Ausbildung, Erziehung und Förderung der Kinder hier klingt ganz nach unserer österreichischen Kindererziehung. Schule, Nachhilfe wenn nötig, Sport, Musik, Theater spielen und Familienurlaub. Nicht grad selbstverständlich im Sudan und schon gar nicht für ein aus der Gesellschaft ausgestoßenes Neugeborenes.

Kinder werden von Neugeboren bis 4 Jahre aufgenommen. Die Familien haben wie sonst auch, Kinder in allen Altersgruppen. 
Die Unterstützung geht mindestens bis 18, wenn eine weiterführende Ausbildung absolviert wird auch bis Anfang, Mitte Zwanzig.
Ab 16 verlassen die Burschen das Dorf und ziehen in ein betreutes Wohnen in der Stadt, sie sollen sich so besser auf die selbstständige Zukunft vorbereiten können. Die Mädchen bleiben noch im Dorf.
Natürlich bleiben die Bindungen zum Dorf immer eng aber Erfolg sei, wenn ein Kind zum selbstständigen Erwachsenen wird der für sich und hoffentlich auch mal für eine Familie sorgen kann.
Neben dem Sozialarbeiter und dem Wächter ist Moawia hier der einzige Mann. Er lebt mit seiner Familie mit drei Töchtern ebenfalls auf dem Gelände. Er ist auch so gut wie möglich der Vaterersatz für die Kinder.

Wir besuchen eine Familie. Ein schönes, sauberes Haus, die zwei kleinsten halten grad Mittagsschlaf und lassen sich auch durch nichts stören, die drei älteren schauen fern und begrüßen uns.
Wir reden mit der Mutter. Wie wird man SOS Mutter? Für sie sei es der ideale Beruf der so besonders ist, dass es für sie eine Berufung ist.
Sie alle haben eine Familie, sie sollen auch Mütter sein. Wo sind die eigenen Kinder? Die sind nicht hier. Die eigenen Kinder sind bei der Familie im Heimatdorf. Dreißig Tage im Jahr haben die Mütter im Jahr für ihre leiblichen Kinder. Auch kein einfacher Beruf...muss wohl eine Berufung sein.
Wir fragen ob wir wir ein Gruppenbild mit den Kindern machen dürfen. Das ist Moawia jetzt etwas unangenehm. Es gebe die Hausregeln die ein Fotografieren der Kinder strikt untersagen. Auch wenn wir so aus einem SOS Kinderdorf ohne Bilder von Kindern gehen...wie recht sie haben!
In unserem inflationärem Umgang mit Privatsphäre, mit der fast stündlichen, öffentlichen Dokumentation des eigenen Seins und auch dessen der eigenen Kinder eine fast archaisch anmutende Regel. Aber so wichtig und so gut! Gerne akzeptieren wir sie voll und ganz.

Offen fragen wir Moawia nach Problemen und Anliegen die wir vielleicht nach Hause tragen können. Er sei noch etwas unzufrieden mit dem Bereich um die Häuser, den wolle er auch noch begrünen. Er hoffe wenn wir in 2 Jahren wieder kommen würden wäre alles grün. Na gut, und dann gibt es auch ein echtes Problem? Ja, und das ist so offensichtlich, dass es uns selbst schon gekommen ist.
Durch die Misswirtschaft der Regierung, durch die Ölproblematik und vieles anderes mehr erlebt der Sudan gerade eine riesige Inflation. Derzeit 75 %.
Wir haben als wir von Ägypten kamen nach älteren Unterlagen mit einem Umtauschkurs von Ägyptischen zu Sudanesischen Pfund von etwa 1 zu 1 oder einem etwas schwächeren Sudanesischem Geld gerechnet. An der Grenze gab man uns dann für 100 Ägyptische 210 Sudanesische Pfund, und das war sicher nicht der beste Kurs...
Alle Gehälter im Dorf sind in Sudanesischen Pfund und verlieren natürlich stets an Wert...und es wird immer schwieriger die alltäglichen Kosten zu decken.
Wir sind uns sicher, dass es ein Procedere für Länder mit massiver Inflation gibt...und versprechen dieses Anliegen weiter zu tragen.
Dankbar und mit tollen Eindrücken von einer starken und bewundernswerten Rettungsinsel mit tollen Menschen fahren wir zurück in unser Hotel.

Wenn ihr noch mehr zu SOS Kinderdorf im Sudan wissen möchtet, findet ihr hier weitere Infos.

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