Reisetag 26
Kilometer 5717
Wir wachen nach einer herrlichen Nacht in unserer kühlen Lodge auf. Wir frühstücken auf der tollen Dachterrasse über Gonder und dem Tal. Adler fliegen an uns vorbei. Nach dem Frühstück wollen wir zum berühmten Schloß.
Dem Herrn der Ringe Fan wird gleich auffallen, Gonder und Gondor mit Schloß?
Es geht hier noch weiter, es gibt ein Roha, ein Shire und Bahir Dar klingt ein bisschen wie Barad-Dûr. Als Tolkien sein Werk in den 30ern schrieb war Äthiopien gerade groß in den Medien aufgrund des bereits erwähnten Italienisch - Äthiopischen Krieges. Man geht davon aus, dass er so auf das Land aufmerksam wurde und sich viel entlehnt hat.
Das Schloß von Kaiser Fasil wurde im 17. Jahrhundert erbaut. Es erinnert an die Kreuzritterburgen ohne dass hier jetzt ein Kreuzritter war. Und man fühlt sich schon ein wenig wie in Mittelerde.
Nach der Besichtigung des Schlosses und einer Runde durch die Stadt verlassen wir unsere schöne Lodge mit dem zuvorkommenden Wirt Simon.
Äthiopien ist touristisch viel mehr erschlossen und leider in den letzten Jahrzehnten durch eine Heerschar an "Hilfs"organisationen ein Stückweit zerstört worden.
Wir alle erinnern uns an die Hungersnöte, medial aufbereitet und Milliarden an Spenden requirierend. Die NGOs sind dann nachdem sich das Land erholt hat einfach geblieben. Armut gibt es natürlich weiterhin.
In den Städten prägen ihre neuen, riesigen weißen Toyota-Jeeps neben den kleinen Bajaj das Straßenbild. Sie haben sogar eigene Kennzeichen.
Die "Hilfe" mit Verteilen von Nahrung und Kleidung durch Weiße ist für die Äthiopier am Land zum Alltag geworden. Die NGOs waren in der landwirtschaftlich orientierten Wirtschaft des Landes der größte Wirtschaftsfaktor. So kann man ein Land auch entmündigen. Die Regierung hat unter einem Aufschrei des Westens 2008 die fremden NGOs etwas entmachtet und zurück gedrängt. Wenn wir bei unserer Entrüstung über ein undankbares Regime doch immer alle Seiten sehen würden...
Die Kinder stehen weiterhin an Straßenrand und winken uns. Von den berüchtigten Steinewerfern am Straßenrand bemerken wir auf unseren ersten Fahrten nichts. Aus dem unvermeidlichen "How are you" ist aber nur noch ein "You!" geworden. Im Sudan wurden uns durch alle Altersgruppen hindurch der Daumen nach oben gezeigt.
Hier weicht dieses Zeichen dem internationalem Symbol für Geld und es schallen die Kinderstimmen in Stakkato mit "You! You! Money!" durch den Helm.
Oder die Kinder fragen nach "Buk" amharisch für Kleidung.
Eigentlich ein so stolzes Volk...so entwürdigt.
Ohne Probleme erreichen wir Bahir Dar am Tana See. Schnell führt uns Marc durch die mittelgroße Stadt zu unserem Hotel. Alles perfekt. Im Hof können wir die Maschinen sicher neben einem riesen Pfandgutlager abstellen. Warum schafft dieses Land beim plastiklosen Mehrweg für Softdrinks etwas an dem wir grandios gescheitert sind?
Kaum haben wir WLAN, die tollen Nachrichten: Wissam ist auch in der Stadt, nach seinem Interview ist er die Strecke von Khartoum nach Bahir Dar durchgefahren, deswegen hat er uns eingeholt. Und wir werden uns mit Zenaw Amare treffen. Er ist Chirurg und hat mit Alex in Jimma gearbeitet. Jetzt ist er in einem Krankenhaus in der Nähe und wir werden ihn heute Abend treffen.
Wir gehen mit Wissam in das "Lake Shore Restaurant". Ein herrlicher Ort direkt am Tana See. Wir kommen genau zum malerischen Sonnenuntergang.
Nach dem Essen stößt Zenaw dazu und es gibt ein großes Wiedersehen. Da sitzen nun ein Orthodoxer Christ, zwei Protestanten, ein Atheist und ein Moslem dessen Familienhaus im besetzten Westjordanland nun von russischen Juden bewohnt wird in einer Idylle und reden.
Natürlich ist Politik ein Thema, gerade hat Trump den Atom Deal mit dem Iran aufgekündigt.
Am Ende stoßen wir auf die Blase an in der wir als Reiche und Gebildete in einer völlig kaputten Welt sitzen und Wissam sagt einen unglaublichen Satz:
"Religion without education is a fucking weapon"
Das gilt einfach für alle und jeden.
Hammer, euer Reisetagebuch! Die perfekte Lektüre für den Nachtdienst... Bin schwer begeistert von eurem Abenteuer!
ReplyDeleteWeiter alles Gute und immer gute Fahrt!
Grüße aus der Heimat
Elmar von der Chirurgieambulanz
Danke Elmar! Freut mich sehr! Da hat der Orthodoxen Straße ja heute Glück dass Du da bist :-)
ReplyDeleteHasi
Sehr schöne und sehr nachdenkenswerte Berichte! Am tollsten ist Wissams Ausspruch!!! viele herzliche Grüße und weiterhin gute Fahrt! Ingrid
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