Reisetag 65
Kilometer 12.886
Nun ist es also soweit. Wir fahren wirklich in den Kongo.
Genau genommen in die Demokratische Republik Kongo. Es gibt zwei Kongos, das zweite ist die Republik Kongo und liegt im Westen am Meer.
Unser Kongo, das ehemalige Zaire, ist ein riesiges Fast-Binnenland mit einem schmalen Meereszugang nach Westen an den Atlantik. Grob ist die DRC die Mitte Afrikas. Es ist das zweitgrößte Land auf diesem Koninent.
Erst geht es aber mal 100 km von Kitwe nach Norden. Jetzt kommen wir wirklich an den Kupferminen vorbei. Jede Mine ist in chinesischer Hand. Zwischenzeitlich sind sogar die Tankstellen und eine LKW Werkstatt auf chinesisch beschriftet.
Da kann ich schon selbstlos viele Straßen bauen wenn ich dafür im Boden tun darf was ich will und ich die geschürften Reichtümer gleich auf den neuen Straßen gut abtransportieren kann.
Und das Afrikanische Land hat wieder nichts von seinen Bodenschätzen. Moderner Vertrags-Kolonialismus.
Wir kommen in Kasumbalesa an. Einer ausgesprochen hässlichen Grenzstadt. Lange LKW Schlangen, dazwischen Hütten und Müllberge die teilweise vor sich hin glimmen und einen stechenden Geruch verbreiten.
Am Ende der Schlangen steht der Sambische Grenzkomplex. Der Grenzbetrieb ist privatisiert. Um auf den Parkplatz zu kommen müssen wir durch eine Schranke, da dürfen wir nur einzeln durch, umständlich werden die Maschinen erfasst und wir bekommen ein Parkticket. Die Parkingfee ist die Einkommensquelle für den privaten Betreiber und sie kostet uns für Sambia dann 25 Dollar pro Motorrad.
Wir werden von einer Gruppe junger Helferlein belagert. Sehr aufdringlich. Wir bräuchten ihre Hilfe unbedingt, niemals würden wir es alleine über die Grenze schaffen.
Wir würden ja die Kongolesen nichtmal verstehen, die können nämlich nur französisch. Mein eingerostetes Französisch muss ich jetzt eh wieder auspacken also erkläre ich ihnen, dass wir etwas französisch sprechen und davon ausgehen, dass es für einen Grenzübertritt reicht. Etwas Enttäuschung aber wir werden bei weitem nicht in Ruhe gelassen. Den gesamten Vorgang, alles Bitten, Diskutieren, Knurren und Ignorieren zum Trotz läuft uns die Schmeißfliegengruppe auf Schritt und Tritt nach. Was sollen sie auch machen. Neben den hunderten LKWs die genau wissen was sie tun sind wir die einzigen privaten Fahrzeuge.
Zuerst ins Interpol Büro. Die Motorräder werden erfasst. Unser Plan einfach nur kurz, für zwei Nächte in den Kongo zu schauen stößt hier und für den Rest des Grenzübertritts auf Unverständnis. Dann gehts in das Sambische Grenzgebäude. Das übliche Prozedere, Immigration mit Ausreisestempel, Zoll für das Carnet. Der Zöllner möchte die Fahrgestellnummern kontrollieren und dabei fragt er ob wir uns der "Situation im Kongo" bewusst wären? Es bleibt etwas nebulös was er meint...die Cholera? Den Ebolaausbruch im Norden? Die Kampfhandlungen mit massiven Flüchtlingsbewegungen im nordöstlichen Grenzgebiet? Aus dem folgenden Gespräch schließend dürfte er wohl die Korruption gemeint haben die uns erwarten wird.
Nach dem Zoll zahlen der "Parkgebühr" Motorräder sind so selten, dass sie nicht extra existieren, die ganzen Gebühren bei diesem Übertritt müssen wir für ein kleines Auto zahlen.
Dann noch ein abschließendes großes Buch mit Eintragen der Maschinen und der Passnummern und wir sind in Sambia fertig. Theoretisch. Als wir zum Schranken fahren geht unsere entäuschte weil überflüssige Fixer Wolke zum Schrankenwerter und ruft ihm etwas zu. Am Schranken verlangt er dann die Bestätigung für irgendwas Unaussprechliches. Auch nach mehrmaligem Nachfragen verstehen wir nichtmal das Wort. Als ich dem Wärter vorwerfe, dass ihm die Fixer das gesagt haben und es garnicht existiert bestreitet er dies wehement...und läßt uns alle drei passieren. Man kann's ja mal probieren.
Der kongolesische Grenzkomplex ist ganz ähnlich aufgebaut. Nur bleiben wir hier erstmal vor dem Schranken stehen.
Es geht zum Sanitätspersonal, Körpertemperatur mit Scan messen und Gelbfieberimpfung kontrollieren.
Dann die Immigration. Von der Polizistin am Schalter werden wir direkt in das Büro des Chefs gebeten. Passkontrolle, Befragung. Nur für zwei Tage nach Lubumbashi? Warum?...ja, eigentlich eine berechtigte Frage.
Da wir das erste Mal in den Kongo kommen ist es üblich "un petit quelquechose" zu zahlen. Das kleine etwas soll am Anfang 20 Dollar pro Person sein aber mit etwas verhandeln kommen wir auf 10. Scheint trotzdem gut zu sein, der Polizist kümmert sich sehr aufmerksam um uns.
Wir suchen nun den Zoll für das Carnet. Niemand weiß wo wir damit hin sollen. Kann das sein? Unser Polizist geht mit mir bis ins Kontrollzentrum im obersten Stock. Große Monitore mit allen Bewegungen an der Grenze. Aber kein Zoll? Der Leiter der Grenze meint Carnet de Passage habe er schonmal gesehen, das hätten die Rot-Kreuz-Fahrzeuge gehabt. Abzeichnen könnte uns das die Dame am Schranken. Also dorthin.
Unser persönlicher Polizist begleitet uns zur Tür. Hier stehen immernoch die Fixer. Als sie den Kongolesischen Polizeichef mit mir sehen drehen sie sich unbeteiligt weg und verschwinden dann. Jetzt sind wir sie los.
An den Maschinen werden wir von zwei Zivilisten erwartet, sie wollen unser Gepäck kontrollieren, aufgrund der rezenten Erfahrungen fragen wir nach einem Ausweis. Sie bräuchten keinen Ausweis. Wir lachen sie aus und ignorieren sie. Am Schranken ist die Dame sehr motiviert hatte aber offensichtlich noch nie ein Carnet in der Hand. Gemeinsam füllen wir es aus. Das elfte Carnet Land, jetzt können wir's auch schon ganz gut. Stempel gibt es leider keinen, weil Sonntag ist. Auch gut.
Auf der Straße heißt es wir müssten noch eine Entrance Fee zahlen. Wir halten das auch wieder wir einen schlechten Scherz und wollen erst nicht. Wenn dies offiziell ist dann bitte drinnen und gemeinsam mit der Polizei und einer Rechnung. Ja klar, wir sollen mit kommen. Ich gehe wieder zu unserem Polizisten. Er kommt gleich mit. Er kennt diese Gebühr zwar nicht aber er sagt sie würde stimmen und wir müßten sie zahlen. Es handelt sich eigentlich um eine Straßengebühr, 25 Dollar pro Maschine, gültig für einen Monat. Mit Erfassung des Motorrades und Rechnung. Für den Fall, dass es weiter Probleme gibt schreibt uns der Polizist seine Telefonnummer auf. Dann zurück zum Schranken. Hier sind nun mehr Zivile. Sie machen jetzt eine Gepäckkontrolle und es ist ihr Land und wir sind Gäste und wir sollten uns etwas freundlicher benehmen. Auch die anderen Mitarbeiter am Schranken bestätigen, dass dies seine Rechtmäßigkeit hat. Wir entschuldigen uns und die Gepäckkontrolle wird die ausführlichste bis jetzt. Aber bei uns gibt es ja wirklich nichts zu finden. Dann sind wir durch und in der Demokratischen Republik Kongo.
Dreieinhalb Stunden und 85 Dollar pro Kopf hat uns der Übertritt gekostet. Wären wir bei Straßengebühr und Gepäckkontrolle nicht so kritisch gewesen wäre es deutlich schneller gegangen. Ich versuche das alles für die iOverlander App zusammenzufassen. Für unsere nachfolgenden Reisenden, über diese Grenze hat in diesem Forum noch nie wer geschrieben.
Es sind nur 90 km bis Lubumbashi. Wir haben einen leichten Zeitdruck, heute ist das erste Deutschlandspiel. Die Dörfer sind einfach und arm. Es winkt niemand, es starrt aber auch niemand oder wirkt abweisend, wir werden auf angenehme Art ignoriert.
Wir erreichen die Stadt. Mit etwas Suchen kommen wir am Alliance Guesthouse an. Man hat nicht mit uns gerechnet. Mal wieder. Das Guesthouse macht einen sehr netten Eindruck. Die für uns Zuständige spricht sehr gutes Englisch, sie hat in Südafrika studiert. Sie sitzt im Hof und lässt sich von einer Freundin Extensions einflechten.
Wir haben sogar eine Bestätigung vom Chef per WhatsApp, aber leider, trotzdem sind alle Zimmer belegt.
Sie wird eine Lösung finden. Und gerade ist Anpfiff. Wir sitzen im Gang des Hotels und schauen Fußball. Eines der schlechtesten Spiele der deutschen Mannschaft seit langem.
Zur Halbzeit gibt es eine Lösung. Wir sollen ihr auf einem Moped nach fahren, sie bringt uns zu einem andern Hotel. Immerhin, die Extensions bedecken schon den halben Kopf.
Es wird dunkel, mit Müh und Not können wir dem Moped im Verkehr folgen. Einmal verlieren wir sie aber sie finden uns wieder.
So kommen wir zum Prince Kitungwa Hotel. Die Preisverhandlungen gestalten sich etwas zäh. Anfangs möchte man das Doppelte von dem was wir ursprünglich gebucht hatten. Wir einigen uns, bedanken uns bei unserer Führerin und sehen die letzten Minuten des unglaublich schlechten Spiels gegen Mexiko. Verdient verliert Deutschland.
Eine schnelle, kalte Dusche und man besorgt uns was zu Essen. Das Essen ist so "gut" und teuer, dass wir uns entscheiden morgen wo anders zu essen. Zweimal Hühnchen mit Reis und einmal Pondu. Eine absolute Kongolesische Spezialität, gehackte Maniokblätter in Palmöl geschmort, bei aller Spezialität etwas speziell. Aber es gibt das sehr gute lokale Simba Bier in riesigen Flaschen dazu.
Der Besitzer des Hotels taut auch etwas auf und wir machen Fotos miteinander.
Wir sitzen auf der Terrasse des Hotels zur Straße hin. Die ist von einem großen Gitter umgeben und schaut wirklich wie ein Zookäfig aus.
Der Tag klingt mit dem nächsten Straucheln eines Weltmeisters aus, Brasilien gegen die Schweiz.
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